Strategien gegen Fachkräftemangel im Handwerk

Strategien gegen Fachkräftemangel im Handwerk

Thorsten Moortz
07. Juli 2017

Um zwei entscheidende Ziele (Mitarbeitergewinnung und Ertragssteigerung) zu erreichen, brauchen wir erstens selbst mehr Spaß an der Arbeit. Zweitens benötigen wir die Fähigkeit, diese Begeisterung an Mitarbeiter zu transportieren. Drittens müssen wir hochwertigere Projekte anstreben, denn das fördert die Motivation der Mitarbeiter und liefert mehr Ertrag. Anhand von 5 typischen Reaktionen auf die Veränderungen der letzten Zeit findest Du in diesem Podcast meine Lösungsansätze rund um die Mitarbeitergewinnung bzw. –bindung und Ertragssteigerung.

Hallo. Mein Name ist Thorsten Moortz. Ich bin als Trainer, Berater und Coach im Handwerk seit 25 Jahren tätig. In diesem Artikel zeige ich, weshalb der Fachkräftemangel auch seine guten Seiten hat.

Trotz Fachkräftemangel mehr Ertrag. Provokant, aber durchaus berechtigt.


Meine These ist:

Neue Mitarbeiter gewinnt in Zukunft nur noch, wer sich als attraktiver Arbeitgeber im Handwerk positioniert. In Zeiten hoher Kapazitätsauslastung und der Begrenzung durch die Anzahl der Mitarbeiter zeigt sich, dass sich der Ertrag in Zukunft nur noch steigern lässt, wenn man sich um höherwertige Aufträge bemüht.


Hier der ganze Artikel mit einigen Anmerkungen als Podcast zum anhören:

Die 5 Reaktionen auf die aktuellen Veränderungen

1. Schock – Der Rauswurf aus der Komfortzone

Bereits seit Jahren deutete sich an, was heute Realität ist: Junge Menschen mit Potential und ausgebildete Fachkräfte können sich aussuchen, in welchem Unternehmen sie glücklicher, zufriedener, begeisterter arbeiten wollen.

Das Handwerk und die Innungen sehen sich mittlerweile als „Resterampe des Arbeitsmarktes“ – und damit in der Opferrolle. Manchmal gewinne ich den Eindruck, als würden viele Handwerks-Unternehmer gerade eben erst festgestellt haben, dass sie ein massives Problem haben: Kaum ein potenzieller Mitarbeiter kommt von alleine zu ihnen, um nach einem Job zu fragen. Der Schock: Es geht nicht mehr darum, was wir als Arbeitgeber „suchen“, sondern was wir einem Kandidaten „bieten“.

Was steckt dahinter? Dies sind aus meiner Sicht die Probleme:

  • Das Handwerk ist nicht attraktiv für Menschen mit Potential
  • Es wird an Aufträgen festgehalten, die man bereits seit Jahren erfolgreich abwickelt
  • Ignoranz gegenüber den existenziellen Herausforderungen, die aufs Handwerk zukommen, wenn die Konjunkturlage einmal eine Delle bekommt
  • Ausreden nach dem Motto: Wir hatten keine Zeit, keine Kapazität, keinen „Pack an“, keine Idee, um neue Geschäftsfelder zu entwickeln…

Was können wir tun?

Als Lösungsansatz aus der Praxis empfehle ich, selbst erst einmal wieder zu entdecken, weshalb wir mit Begeisterung unser Handwerk ausüben.


2. Verneinung – „Da mache ich nicht mit!“

Kennzeichnend für diese Phase ist, dass Handwerksunternehmer dazu tendieren, allgemeingültige Aussagen für die Vergangenheit zu finden: „Meine Mitarbeiter wollen nur nach Vorgaben arbeiten und ihren Lohn pünktlich bekommen“, heißt es zum Beispiel. Dem gegenüber steht die Erkenntnis von Unternehmern, die wenig Probleme mit der Gewinnung neuer Mitarbeiter haben: „Meine Mitarbeiter haben einen wachsenden Wunsch nach Beteiligung an IHREM Unternehmen.“ Beteiligung heißt, sich als Teil einer Firma mit ihren Zielen, Ideen und der unternehmerischen Vision zu fühlen. Beteiligt zu sein, heißt, unternehmerisches Denken und Handeln vermittelt zu bekommen, um im eigenen Arbeitsumfeld Mehrwerte liefern zu können. Beteiligung heißt auch: Sich mit dem Unternehmen weiterentwickeln zu können. Das betrifft nicht nur das Gehalt, sondern auch die Weiterbildung.

Welche Probleme gibt es typischerweise in dieser Phase?

  • Der „Kampf“ um die Mitarbeiter wird mit Mitteln des letzten Jahrtausends geführt
  • Arbeit im Handwerk wird nicht als „Karriere“, sondern als „Job“ empfunden
  • Mitarbeiter wollen an ihrem Unternehmen beteiligt sein
  • Spitzenleistung kann man nicht befehlen
  • Wunsch, durch mehr Leistung spürbar mehr verdienen zu können

Lösungsansätze aus der Praxis:

  • Antworten liefern auf die Frage: Was macht dein Unternehmen zu einem attraktiven Arbeitgeber im Handwerk?
  • Eine sichtbare, spürbare Unternehmenskultur ausstrahlen
  • Beteiligungsmodelle, die auf der Ertragsqualität der eigenen Arbeit basieren
  • Strukturierte Jahresgespräche, Zielvereinbarungen und Qualifizierungspläne
  • Sich von Mitarbeitern trennen, die trotz aller Bemühungen nicht Teil des Unternehmens sein wollen und nur einen Job suchen

3. Einsicht und Akzeptanz 

Aus meiner Sicht geht es nicht darum, zu resignieren, die Suche nach neuen Mitarbeitern aufzugeben oder etwas erzwingen zu wollen. Es geht darum, die Strahlkraft des Unternehmens in der Region zu verstärken und einen Sog auszulösen. Heute können es sich die meisten Handwerksunternehmen finanziell leisten, sich persönlich, ihre Mitarbeiter und attraktive Geschäftsfelder weiter zu entwickeln.

Frust kann vermieden werden, wenn man sich auf erreichbare Projekte fokussiert, an den Erfolgen aktiv arbeitet und Ablenkung vermeidet. In der Praxis bewährt hat es sich, zunächst nur mit einem Projekt mit einem konkreten Ziel zu starten. Alle Mitarbeiter von Anfang an zu beteiligen, sollte dabei selbstverständlich sein.

Probleme, die auftauchen, könnten sein:

  • Es geht uns zu gut und wir überwinden unseren „inneren Schweinehund“ nicht
  • Wir fangen nicht einfach bei einer kleinen Einheit an. Sondern wir versuchen, gleich alle Abteilungen, Bereiche, das gesamte Unternehmen, alle Mitarbeiter verändern zu wollen

Lösungsansätze aus der Praxis:

  1. Spannende, neue Geschäftsfelder entwickeln, die mehr Spaß machen und mehr Ertrag liefern
  2. Mitarbeitern mehr Verantwortung am Erfolg des Unternehmens geben
  3. Ausprobieren – Einfach los legen

4. Externe Hilfe annehmen

Eine Möglichkeit ist, sich für die Umsetzung der neuen Herangehensweise einen externen Coach zu holen: Er (oder sie) zeigt auf, was man selbst häufig im Arbeitsalltag vergessen hat. Der Coach ordnet und sortiert die Projekte (gemeinsam mit Ihnen) nach deren Erfolgswahrscheinlichkeit. Es geht darum, mehr auf die Chancen als die Probleme zu schauen. Das hilft, die eigene Einstellung zu verändern. 

Probleme könnten in dieser Phase sein:

  • Zu viel auf einmal wollen
  • Durch die operative Hektik herrscht Stillstand in der strategischen Ausrichtung
  • Die Komplexität möglicher Entscheidungen nimmt permanent zu
  • Zu hohe Erwartungshaltung an Geschwindigkeit und Ertrag

Lösungsansätze aus der Praxis:

  • Externe Hilfe in Anspruch nehmen: Jemanden fragen, der die Prioritäten richtig setzen kann und für die Umsetzung passende „Werkzeuge“ liefert
  • Ziele und Positionierung klären und diese Fragen beantworten: „Für welche Geschäftsfelder oder welche Qualität will ich in 7 Jahren als Experte in meinem regionalen Markt anerkannt sein?“, „Welche Qualifikation brauchen ich und meine Mitarbeiter dafür?“ und „Mit welcher Weiterbildungsmaßnahme beginnen wir?“
  • Mit einem Geschäftsfeld beginnen und konsequent mit zeitlicher Zielvorgabe an der Umsetzung arbeiten
  • Mitarbeiter systematisch befragen, Verbesserungen einleiten und sich um öffentlichkeitswirksame Auszeichnungen bewerben (z.B. Unternehmer des Jahres, www.1A-Arbeitgeber.de) etc.

5. Erkenntnis und Integration – positive Grundeinstellung weiterentwickeln

Positive Ergebnisse führen zu höherem Selbstbewusstsein: Veränderungen werden akzeptiert und es entsteht Motivation für die Bearbeitung weiterer Projekte! Mein weiterer Appell ist, mit einem sorgfältig ausgewählten Projekt zu starten und weitere Projekte auf einer strukturierten Liste zu führen.

Probleme sind hier:

  • Dauerhaft dran bleiben und nicht aufgeben
  • Rückschläge als Herausforderung annehmen

Lösungsansätze aus der Praxis:

  • Rückschläge als normal akzeptieren. Sie sind die Herausforderung für den Unternehmer, neue Wege auszuprobieren oder die Zielsetzung zu überarbeiten
  • Stolz über die eigenen Leistungen (der Mitarbeiter) zulassen. Über unsere Begeisterung erzählen und diejenigen „mitentzünden“, mit denen wir in Beziehung stehen (Interessenten, Lieferanten, Familie, Freunde, Mitarbeiter, künftige Mitarbeiter…)
  • Veränderungen zur Routine werden lassen: Veränderungsprojekte auf einer permanenten Liste halten und in Meilensteine aufteilen. Werkzeugempfehlung: Trello.com

Fazit  

Aktive Mitarbeitergewinnung hat in Zukunft etwas damit zu tun, wie attraktiv wir als Arbeitgeber in der Wahrnehmung der künftigen Mitarbeiter sind. Diese Attraktivität wird durch die Unternehmens- und Führungskultur bestimmt UND durch die Attraktivität der Aufträge und Leistungen, die das Unternehmen im Markt anbietet.

An neuen Geschäftsfeldern oder der nächst höheren Qualitätsstufe der vorhandenen Geschäftsfelder zu arbeiten, liefert also nicht nur höhere Erträge. Es hilft auch dabei, neue Mitarbeiter zu gewinnen.


Umsetzungs-Idee: Badmodernisierung

  1. Nehmen Sie sich ein Geschäftsfeld heraus.
  2. Ermitteln Sie die Anzahl der Bäder, die Sie derzeit bauen und den Auftragswert (Ausreißer nach Oben oder Unten weglassen).
  3. Legen Sie fest, welche Auftragshöhe künftig Ihr Ziel ist (x Bäder mit mindestens x Auftragswert)
  4. Schreiben Sie auf, welche Voraussetzungen dafür gegeben sein müssen, damit Sie diese Aufträge erfolgreich abwickeln können
  5. Entwickeln Sie aus der Abweichung zwischen den notwendigen Voraussetzungen und Ihrer derzeitigen Situation Ihren Aktivitätenplan Denken Sie daran: Ziel ist es zunächst, mit der gleichen Anzahl Mitarbeiter höherwertige Aufträge durchzuführen
  6. Wenn Sie die Voraussetzungen erfüllen, beginnen Sie aktiv, intensiv, konsequent mit der Vermarktung.

Über den Autor

Thorsten Moortz ist Vortragsredner, Strategieberater und Coach für das Handwerk, Handel und Industrie. Er ist seit 1989 ausschließlich in der Baubranche aktiv.

Mit vielen Kunden arbeitet er über viele Jahre zusammen. Er sieht es als seine Stärke an, immer Problemlösungen für aktuell drängende Herausforderungen zu finden. Derzeit stehen bei ihm die Themen "Strategien gegen Internetvergleiche und Preisverfall", "(Online) Kunden und Mitarbeiter finden und binden" sowie "spannende Themen für bessere Auftragsquoten und schnellere Beratung" im Fokus. Weitere Informationen und Arbeitsmaterialien unter www.moortz.de

Dieser Artikel ist zuerst im Magazin "LSH Einblick" Ausgabe 1/2017 erschienen. www.lsh.de


Bonus (wie im Podcast versprochen):

Wenn Du ein persönliches Coaching auf der Grundlage dieses Blogbeitrages buchst, bekommst Du das erste Coaching-Telefonat (Dauer 40 Minuten) kostenlos! Sende einfach eine Mail an mich: moortz@gmail.com und beziehe Dich auf diesen Artikel.


Shownotes und Links:

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